Manasses, Erzbischof von Reims, an
Hugo, Bischof von Die: Er, Hugo, habe ihn, Manasses, nach
Lyon vor ein Konzil geladen (Deperditum, Nr.
320). Warum er nicht komme, habe er ihm und dem Konzil angezeigt, um nicht angeklagt zu werden (Deperditum). Er sei nach
Rom gegangen und habe das päpstliche Gericht angerufen. Auf Geheiß des
Papstes habe er in der Gegend auf ihn fast elf Wochen gewartet. Auf einem Konzil habe es einen Streit zwischen ihm und den Abgesandten des Bischofs gegeben, bei dem man sein Vorgehen als arrogant und gewaltsam beurteilt habe. Er habe dem
Papst öffentlich gesagt, dass er sich hinsichtlich kirchlicher Urteile weiterhin ihm anvertrauen wolle, und Rechenschaft gegeben. Auf die Frage des
Papstes, wessen Urteil er sich auf Konzilien in
Gallien lieber unterwerfen wolle, habe er den
Abt (Hugo) von Cluny gewählt; das sei festgelegt worden. Er habe dem
Papst das Versprechen gegeben, wenn er durch Boten oder Schreiben des apostolischen Stuhls vor ein Konzil in
Gallien geladen werde, zu erscheinen, außer er sei durch kanonisches Hindernis verhindert, oder bei gegenteiliger Weisung von einer Reise abzusehen. Deshalb sei er, als er jüngst von ihm durch Schreiben, in dem der Name des
Abtes von Cluny gleichfalls gestanden habe, nach
Troyes vorgeladen worden sei (Deperditum, Nr.
317), mit den Äbten, Klerikern und Benefiziaten der
Kirche von Reims aufgebrochen. Da er von einer gegenteiligen Weisung des apostolischen Stuhls nichts gehört, sondern erfahren habe, der
Abt von Cluny sei anwesend, und da er aus seiner, Hugos, gegenteiliger Weisung erfahren habe, dass es kein Hindesnis gebe, es nicht zu halten, und er kein Schreiben von ihm und dem Abt habe, der bei der Absage des Konzils gleichfalls mitwirken müsse, habe er seinen Anteil erfüllt. Zum Konzil nach
Lyon komme er nicht, weil er dafür viele kanonische Hindernisse habe. Zuerst, weil in der Ladung der
Abt von Cluny nicht erwähnt werde, dann weil es nicht in jenen Teilen Galliens gehalten werde, in den ihm befohlen worden sei, sich dessen Urteil zu unterwerfen; ferner weil in der Region, die zwischen ihm und Lyon liege, seit der Gefangennahme des
Grafen (Wilhelm) von Nevers und des
Bischofs (Gaufrid) von Auxerre und ihrer Ritter Krieg herrsche und er gemäß dem justinianischen Gesetz (
in secundo libro codicum) einen hinreichenden Grund habe, wenn er Gefahr für Gesundheit und Marter für seinen Leib fürchte; außerdem da er wisse, dass dieses Konzil in derselben Provinz und von denselben gehalten werde, wo und von denen er auf einem anderen Konzil gewaltsam und unmenschlich und so ungerecht behandelt worden sei, dass all dies, wie er in Rom gesehen habe, ungültig sei. Der Ort sei weder nahegelegen noch leicht für aufzubietende Zeugen zu erreichen, da er fast 15 Tagereisen von ihm entfernt liege. In der zweiten innerhalb von drei Wochen erfolgten Ladung (Deperditum, Nr.
321), die sich von der ersten sehr unterschieden habe, habe er ihn aufgefordert, sich vor seinen Anklägern, dem Dompropst
Manasses und dessen Gefährten, zu verantworten. Er und der Dompropst Manasses hätten eine Einigung erzielt für alle seine Gefährten, von denen einer, nämlich
Bruno, weder sein Kleriker noch sein Abkömmling oder Getaufter, sondern Kanoniker von Sankt Cunibert in Köln im deutschen Reich sei. Obwohl diesem, als er bei ihm geweilt, viele Benefizien von ihm verliehen worden seien, sei er von ihm nichtswürdig behandelt worden. Der andere,
Pontius, sei in seiner Gegenwart auf dem römischen Konzil als fragwürdig zurückgewiesen worden, und deshalb wolle noch müsse er sich weder dem einen noch dem anderen verantworten. Er, Hugo, habe ihm versichert, er habe in
Lyon einen geeigneten Ort ausgewählt, da die erwähnten Kleriker nicht nach
Troyes zu kommen gewagt, dort aber zu erscheinen keine Furcht hätten. Er halte dagegen, dass er weit mehr fürchte, nach
Lyon zu reisen als diese nach
Troyes. Je mehr man ihn für hochgestellter und reicher als sie halte, desto mehr habe er Anlass zur Klage, dass er sowohl schneller von irgendeinem Tyrannen gefangengenommen und durch eine höhere Forderung nach Lösegeld erpresst werde. Er sehe, dass aus der Überfülle der Bosheit eine Gewohnheit gemacht worden sei: er bedaure, dass von Tag zu Tag Bischöfe gefangengenommen und in den Kerker geworfen würden, wie man es bei dem
Bischof (Gaufrid) von Auxerre sehe (1079), wie bei dem
Bischof (Heinrich) von Lüttich, der jüngst an Heiligabend gefangen genommen worden sei (1079 Dezember 24), und beim Papst, der in der Weihnachtsnacht noch vor Ende der Messe vom Altar weggeführt worden sei (1075). Daraus erhelle, dass für ihn
Lyon kein geeigneter Ort sei, dass es für ihn keine ungefährliche Reise dorthin gebe und er deshalb gemäß der erwähnten justinianischen Sentenz und gemessen an der an ihm in dieser Provinz begangenen Schandtat eine rechtswirksame Entschuldigung habe. Zu der zweiten Vorladung, in der er ihm angeordnet habe, dass er zum Konzil kommen solle, auch wenn Kläger fehlten, bereit, zusammen mit sechs Bischöfen unverdächtigen Rufes sich zu reinigen, entgegne er: Falls Ankläger fehlten, müsse er sich nicht irgendeinem Gegenüber verantworten. Seien sie jedoch zugegen, werde er den Beweis liefern, sich nur denen gegenüber zu verantworten, die nachwiesen, dass sie etwas selbst entweder gesehen oder gehört hätten. Dies sei von den heiligen Autoritäten festgelegt und auf dem römischen Konzil vom
Papst unter derselben Bedingung bestätigt worden. Dafür habe er Zeugen. Von Manasses und seinen Genossen erhoffe er keine Anklage, weil sie mit ihm eine Eingung erzielt hätten – falls sie nicht aus Anlass dieses Konzils »zum Erbrochenen zurückkehrten« – mit Ausnahme
Brunos und
Pontius’, denen er aus dem angeführten Grund sich nicht verantworten wolle noch müsse. Sollten irgendwelche von denen, mit denen er sich durch eine Gesandtschaft des Manasses geeinigt habe, dorthin unter Friedensbruch aufgebrochen sein und irgendetwas gegen ihn sagen wollten, dürfe man dies nicht zulassen, da diese damals weder seine Familiaren noch Kanoniker gewesen seien, um über sein Leben Zeugnis geben zu können. Dass er, Hugo, ihn aufgefordert habe, sich bereit zu halten, mit sechs Bischöfen zu gehen, habe ihn durch den engen Zeitraum so in Angst versetzt, dass man allein 20 Tage von dem Tage an zähle, an dem ihm sein Schreiben überbracht worden sei, bis zu dem, an dem er, wenn er aufbreche, kommen müsse. In den heiligen Autoritäten sei festgelegt, dass, wenn irgendein Kleriker geringen Grades, geschweige denn ein Bischof, irgendeines Vergehens angeklagt werde, er entweder ein volles oder ein halbes Jahr oder anderthalb Jahre als Frist haben müsse, um sich vorsehen und umsehen zu können. Da unsere Bistümer nicht wie um
Rom herum und in gewissen Gegenden eng zwischen sieben und zehn Meilen zusammen-, sondern viele 40, 50 oder 60 Meilen oder mehr auseinanderlägen, wie solle man in 20 Tagen sechs Bischöfe seines Landes, noch dazu unbescholtene, versammeln können? Was solle er zu den Bischöfen sagen, deren Leben nicht durch Infamie gezeichnet werde, da man wisse, dass auch
Christus als gefräßig und als Weintrinker, Freund der Zöllner und Sünder sowie als Träger eines Dämons bezeichnet worden sei? Er könne nicht erkennen, auf welche Weise er sechs Bischöfe solcher Heiligkeit zusammenbringen könne, außer wenn die
hl. Väter Remigius,
Martin,
Julian,
Germanus,
Hilarius,
Dionysius vielleicht aus ihren Gräbern auferstünden. Eine solche Forderung mute ihm nicht nur eine Unmöglichkeit, sondern auch Erstaunliches zu. Er, Hugo, behaupte, seine Infamie habe Gallien und Italien erfüllt, und deshalb müsse er bereit sein, sich mit sechs Bischöfen zu reinigen. Indem er nach
Rom gegangen sei und Unbesonnenes entkräftet habe, habe er Gallien und Italien von der Infamie entleert und zunichte gemacht, was von diesen verschrieen worden sei. Es gebe einen anderen Entschuldigungsgrund: Selbst wenn es rechtens wäre, das Zeugnis von sechs Bischöfen in so kurzer Zeit beizubringen, dürfe er es nicht von ihm fordern; weil mehrere seiner Suffragane unfreiwillig dabei gewesen seien, als die gegen ihn damals verübte Gewalt in
Rom erschüttert worden sei. Das oben erwähnte, dem
Papst gegebene Versprechen sei so gewesen, dass er zu einem Konzil
in partibus Galliarum nach Ladung durch Boten oder Schreiben des apostolischen Stuhls kommen solle, falls er nicht durch eine kanonische Entschuldigung verhindert sei, und nicht verhindere, dass in diesen Teilen päpstliche Konzilien gehalten würden. Niemand dürfe unter
in partibus Galliarum jeden Teil diesseits der Alpen verstehen. Dies könne er daraus schließen, dass dort, wo von dem Nichtbehindern von Konzilien
in partibus Galliarum die Rede sei, nur von Gegenden gesprochen worden sei, in denen er ihnen helfen oder schaden könne. Was vermöge in
Lyon oder anderswo außerhalb des
regnum Francorum eine Störung von seiner Seite, wo weder die Bekanntheit seines Königs noch seine Bekanntheit oder Ehrerbietung gegen ihn gelte? Er erkenne hinlänglich, dass zweifellos von jenen Gegenden
Galliens die Rede sei, wo das
regnum Francorum liege. Werde ein Konzil in der Provinz und von denen gehalten, wo und von denen man gewaltsam und hochfahrend gegen ihn vorgegangen sei, sei sein Fernbleiben, wie auch die
aequitas Romana beweise, ein kanonischer Entschuldigungsgrund. Liege der Ort weder für ihn nahe noch zum Produzieren von Zeugen leicht zu erreichen, sei dies ein kanonischer Entschuldigungsgrund. Sei der Ort wegen Kriegswirren nicht ohne Gefahr für Heil und Freiheit zugänglich, sei dies ein kanonischer Entschuldigungsgrund. Fehle der
Abt von Cluny, der nach dem
Papst richten müsse, sei dies ein kanonischer Entschuldigungsgrund. Befehle man ihm Unmögliches, nämlich innerhalb von 20 Tagen sechs Bischöfe herbeizuführen, so sei dies ein kanonischer Entschuldigungsgrund. Ermahne man ihn, solche mitzubringen, deren Leben ohne Infamie sei, sei dies ein kanonischer Entschuldigungsgrund. Befehle man ihm, diese Bischöfe bereit zu halten, auch wenn die Ankläger fehlten, sei dies ein Entschuldigungsgrund. Wenn er nicht zu dem Konzil nach
Lyon komme, habe er in keinem Punkt das Gelöbnis verletzt, wenn er so viele Entschuldigungen habe. Wolle jemand eine dieser Entschuldigungen entkräften, so solle er wissen, dass er nur jene festhalte, die von größerem Gewicht seien und nicht entkräftet werden könnten. Wie sehr er sich auch kanonisch bei ihm als Schuldiger entschuldige, so könne er gleichwohl hinreichend dartun, dass er, auch wenn kanonische Entschuldigungen anders ihm nicht vorlägen, nicht nach seinem Gutdünken irgendwo hingehen müsse. Auch wenn er, Hugo, für andere ein Bote des apostolischen Stuhls sei, für ihn sei er dies gleichwohl nicht, weil er ihn nicht zum Konzil zu entbieten und er nicht auf seine Weisung hin zu kommen habe. Nachdem seine Klage in Rom beendet worden sei, habe der
Papst in Gegenwart von Erzbischöfen, Bischöfen und Klerikern der
Francia, auch der hier anwesenden, bejaht, dass er, falls er nicht wolle, fürderhin ihm nicht unterworfen sei, sondern dem
Abt von Cluny. Danach habe er ihm befohlen, ihm zu geloben, wenn er von dessen Boten zitiert worden sei, wegen dieser Streitsache erneut zu einem Konzil zu gehen, falls er nicht durch ein kanonisches Hindernis daran gehindert worden sei. Und da in seinem Versprechen sein Bote unbestimmt erwähnt werde und er ihn, um ihn vorzuladen, gleichsam nicht ausgeschlossen habe (was er jedoch getan habe, als er, bevor das Gelöbnis abgegeben worden sei, sein, Manasses’, Amt von der Unterwerfung unter ihn, Hugo, befreit habe), sei er des Glaubens, man müsse ihn deshalb unter die anderen Boten zählen. Dies gehe nicht. Als ihn nämlich der Papst vor der Leistung des Versprechens von seiner Unterwerfung unter ihn ausgenommen habe, habe er ihn nicht erneut zulassen dürfen. Sei dies geschehen, habe er sich widersprochen und das, was er in Gegenwart des Konzils rechtens gutgeheißen habe, zu Unrecht verurteilt. In den Dekreten der
Päpste lese man, dass der Vorverurteilte dem Urteil seines Richters fürderhin nicht unterworfen sein dürfe, wenn irgendein Legat wie
Zacharias,
Rodoaldus,
Vitalis und
Misenus über irgendeinen zu Unrecht geurteilt habe. Und eine Ladung, mit der ein
Papst sich widerspreche und die sich als falsch, unüberlegt und unhaltbar erweisen könne, dürfe auch nicht durch ein falsches Urteil bestätigt werden und dürfe weder bestätigt noch angenommen werden. Solange der
Abt von Cluny fehle und solange der
Papst ihm weder mündlich noch schriftlich geboten habe, ihm zu gehorchen, müsse, auch wenn eine kanonische Entschuldigung nicht ausreiche, allein dieser Rechtsgrund ausreichen, und zwar sowohl wegen der Verehrung als auch wegen der Ehre des
Papstes, falls er den liebe. Um nicht den Anschein zu bieten, als fliehe er vielleicht kirchliche Urteile, damit man nicht glaube, er sei ein hartnäckiger Rechtsverweigerer, wolle päpstliche Weisungen durchkreuzen und verhindere, Konzilien zu halten, solle er wissen: Er biete ihm an, zu kommen und in
Francia unter seiner Mitarbeit ein Konzil zu feiern; er werde einen nahegelegenen Ort dazu auswählen. Er biete ihm in seinem und in des Königs Namen an, wegen eines Konzils entweder zur Fastenzeit oder nach Ostern in die
Francia zu kommen. Er und seine Mitbischöfe würden ihm entgegeneilen, ihn gesund und wohlbehalten zu ihren Häusern führen, ihn mit der Ehre, die Legaten des apostolischen Stuhls entspreche, aufnehmen und ihm mit allem Überfluss
procuratio leisten. Er werde einen ihm nahen Ort wählen, wenn er wolle, bei ihm in
Reims oder in
Soissons,
Compiègne oder
Senlis, falls er wolle, und in dem Ort, an dem er ein Konzil haltern wolle, werde er ihn unter Mitarbeit des Königs und seiner unterstützen und alles für ihn tun, das er tun müsse. Vor diesem Konzil bitte er ihn in Liebe und Demut, und erteile ihm, falls er zuhören wolle, einen nützlichen Rat, damit er die Waage der Mäßigung gegen ihn halte und nicht danach trachte, die Höhe und den Rechtsgrund (der Strafe) zu überschreiten und nicht versucht zu sein, ihm ein Gewicht aufzuerlegen, das weder er noch seine Väter zu tragen gewohnt seien. Es sei besser, den Vorteil und die Ehre der römischen Kirche in der
Francia durch mildes Handeln und ohne Überschreitung der Gerechtigkeit zu erwerben als durch Aufreizen der
Francia deren Gerechtigkeit und deren Unterwerfung unter die römische Kirche zu behindern. Wolle er in seiner Hartnäckigkeit verharren, wie er, Manasses, es in denselben Worten auch dem
Papst habe mitteilen lassen (Deperditum), und wolle er ihn allein nach seinem Willen entweder suspendieren oder exkommunizieren, sei ihm der Weg gezeigt, den er, Manasses, verfolge. Er folge den Worten des seligen
Gregor, der gesagt habe, ein Hirte folge beim Binden und Lösen Untergebener einer Regung seines Willens und nicht dem, was sie im Hinblick auf die Streitsachen verdienten. Es geschehe daher, dass der, der sich der Gewalt zu binden und zu lösen beraube, diese Gewalt nicht nach dem Verdienst seiner Untergebenen, sondern nach den Regungen seines Willens ausübe. Er, Manasses, behaupte auch, falls er ihn exkommuniziere, fehle das Privileg des
Petrus und des
Papstes, nämlich die Gewalt zu binden und zu lösen. Das Privileg Petri bleibe da, wo immer man aus Billigkeit richte.
— Monuistis me Lugduni.