Ivo, Bischof von Chartres (Rundschreiben an die
römische Kirche und an alle, zu denen die Beschwerde der Kleriker aus Reims gelangte): Er habe bei der Weihe
König Ludwigs (VI.) nichts für sich gesucht, sondern zum allgemeinen Nutzen von
regnum und
sacerdotium überlegt Vorsorge getroffen. Es habe gewisse Verwirrungstiftende des Königreichs gegeben, die darauf aus gewesen seien, das Reich auf eine andere Person zu übertragen oder es nicht unbeträchtlich zu mindern. Rechtmäßig sei derjenige zum König geweiht, dem das Reich kraft Erbrechts zustehe und den die allgemeine Zustimmung der Bischöfe und Großen zuvor erwählt habe. Die Belgiker hätten das Recht, ihren König zu wählen und zu weihen, auch wenn in anderen Provinzen herrschen werde, sofern der Wille der Könige selbst und der günstige Umstand von Zeit und Ort dies anbiete. In gleicher Weise hätten die Keltiker und Aquitanier, die der Provinz der Belgiker nichts schuldig seien, das Recht, ihren König, wie sehr dieser auch in der
Belgica herrschen werde, zu wählen und die ihm geschuldeten Dienst zu erweisen. Die von ihm erwähnten (merowingischen) Könige hätten keine von einem Erzbischof von Reims erteilte Weihe oder Krone empfangen, sondern seien von den Priestern der Provinzen, über die sie herrschten, erhöht und geweiht worden. Die Herrscher (der Karolinger) seien weder in
Reims noch von einem Erzbischof von Reims zu Königen erhöht noch gesalbt worden.
Ludwig (III. 879) und
seine Frau seien in
Ferrières im Gau Sens ohne Beisein eines Metropoliten (!) von einigen Bischöfen zu Königen geweiht und gekrönt worden. Aus diesen und ähnlichen Beispielen erhelle, dass nicht alle Könige der Franken in der Reimser Kirche oder von Erzbischöfen von Reims, sondern an vielen anderen Orten von vielen anderen Personen geweiht wurden. Durch kein schriftliches Zeugnis oder Beispiel könne erwiesen werden, dass der Reimser Erzbischof außerhalb der Belgica den König der Franken gesalbt oder gekrönt habe. Da diese Weihegewalt jedem Erzbischof in seiner Metropole gebühre, erscheine es verwunderlich, dass einer dieses Recht als eigenes zu beanspruchen umgehe, was vielen gemeinsam zu sein feststehe. Wenn die Könige der Franken eine solche Verehrung für die
Kirche von Reims hätten, dass sie lieber von deren Metropoliten als von einem anderen konsekriert werden wollten, habe er dagegen keine Einwände, noch bedaure er das. Er habe bei der Salbung König Ludwigs (VI.) nichts gegen Herkommen und Gesetz unternommen. Gesetz sei ein geschriebenes Gebot oder Verbot, das zum allgemeinen Nutzen mitteile, was es gebiete oder verbiete. Dagegen habe er nicht verstoßen. Stütze sich die Reimser Kirche auf Privilegien, hätten solche bei ihnen keine Geltung, da sie weder auf allgemeinen Konzilien nach seiner Kenntnis rezitiert noch durch Briefe ihren Kirchen mitgeteilt und nicht durch vertrauliche oder öffentliche Mitteilung öffentlich bekanntgemacht worden seien. Ein Gesetz müsse gerecht und (seine Anwendung) dem Ort und der Zeit entsprechend möglich sein. Eine Anwendung sei aber nicht möglich gewesen, da eine Weihe des Königs in Reims durch einen noch nicht inthronisierten Erzbischof ohne größere Verwirrung und ohne Blutvergießen dort nicht gefeiert werden könne. Sie habe nicht dem Ort entsprochen, weil die Stadt unter ein Anathem gestellt worden sei. Sie habe nicht der Zeit entsprochen, da der Zustand des Reiches und der Kirche schwer in Gefahr wäre, wenn man die Weihe des Königs aufschiebe.
— Nouerit sancta Romana.